... Wenn Sie bei mindestens 80% der hier aufgeführten Erfahrungen mit dem Kopf nicken. Interview-Porträt von Stephanie Dohmen (Lesika Hundehilfe e.V.)
Alles begann im Frühjahr 2010. Der Wunsch nach einem Hund war schon lange da. Nur wie es halt so ist, es fehlte immer die Zeit! Erst gebaut, den ganzen Tag arbeiten, dann kamen die Kinder etc. Daher waren wir eher die Katzenmenschen und hatten teilweise bis zu 4 Stück J. Anfang 2010 entwickelte sich alles anders, plötzlich es war nur noch eine Katze da, die Kinder waren in einem „hundefähigen“ Alter ich hatte einen Teilzeit-Job.
Natürlich kam die Frage auf, woher soll der Hund kommen, wie alt soll er sein usw. Damals schon gestaltete es sich schwierig, einen Familienhund zu bekommen. Ich wollte keinen Junghund und zu dem Zeitpunkt hatte ich den Standpunkt, man sollte seinen neuen Mitbewohner erst mal kennenlernen. Und da war sie dann plötzlich. Ich sah das Bild von Cherry, der kleinen Spanierin, im Internet und meine Kinder und ich waren hin und weg. Sie war auf einer Pflegestelle, also rief ich den Verein an und wir vereinbarten in Duisburg einen Termin zum Gassigehen. Cherry zog nach erfolgreicher Vorkontrolle bei uns ein...
Dann kam es, wie es kommen musste, ein Aufruf: „Nur noch 20 Tage und die Tötung wird geschlossen (Spanien). Wer kann uns helfen und einen Hund adoptieren oder zumindest auf Pflegestelle nehmen?“ Das war 2013 und da ich mich schon länger (mein Mann natürlich nicht! Er meinte immer „einer reicht“) mit dem Gedanken beschäftigt habe, Hund Nummer 2 einziehen zu lassen, habe ich letztendlich meinen Mann überzeugen können.
Also zog der kleine Inuk bei uns ein. Damit bekam ich meinen ersten Problemhund. Inuk kam direkt aus der Tötung. Er war zu dem Zeitpunkt ca. 2 Jahre alt und ein Häufchen Elend. Mit seinen 35 cm wog er gerade mal 4kg, war verdreckt, verfilzt und seine Augen und Ohren voller Eiter. Von den Zähnen gar nicht zu reden, das Zahnfleisch war komplett entzündet. Ich war einfach nur geschockt! Wir haben ihn durch bekommen, aber seit nun ca. 8 Jahren ist er immer noch eine einzige Baustelle. Ich ließ mich nicht entmutigen, da ich für mich erkannt hatte, dass Tiere (Hunde) meine oder generell Hilfe brauchen.
So kam 2015 Nummer 3! Wieder ein Hilferuf. Auffangstation so gut wie abgebrannt, Verein musste teure Pensionskosten tragen, um die Hunde unterzubringen. Damit kam mein erster Pflegehund ins Spiel. Peluche fehlte der Hüftkopf (vom Auto angefahren), war Leishmaniose und Anaplasmose positiv getestet, also vermittlungstechnisch ziemlich schwierig, aber im Großen und Ganzen ein verdammt hübsches Kerlchen (Yorkshire Terrier/ Shitzu Mix). Aber er brauchte halt eine Stelle und ich dachte mir, ist zwar nicht mein Beuteschema, aber gib ihm eine Chance und finde ein tolles Zuhause. Also fing ich an, mich über die ganzen Mittelmeererkrankungen zu informieren, weil ich mich als Vermittlerin (die ich inzwischen war), damit auskennen musste. Was soll ich sagen, Pelu(che) ist geblieben und ich dem Tierschutz verfallen.
Welche Hunde haben Dich besonders beeindruckt oder berührt?
Es gibt nach fast 7 Jahren Tierschutz so viele Hunde denen ich, hoffe ich zumindest, helfen konnte in eine lebenswerte Zukunft zu reisen. Es gab viele traurige Momente, schwere Schicksale, die mich betroffen gemacht haben, aber auch ganz viele Happy Ends. Ich denke, dieses hier aber alles zu erzählen, würde den Rahmen sprengen.
Letztendlich habe ich durch meinen Hund Nummer 4, der ja dann auch erst einmal „nur“ ein Pflegehund war, erfahren, was es wirklich bedeutet einen Handicap-Hund aufzunehmen. Als ich Miso das erste Mal sah, war es nur eine Fahrtenanmeldung für den Verein Lesika Hundehilfe. Ich bereitete den Transport vor im Oktober 2016 und habe dieses eine Bild gesehen von ihm. Was soll ich sagen, da habe ich mich schon in ihn verliebt. Aber ich hatte bereits 3 Hunde und Miso hatte beide Hinterbeine gelähmt, sprich, er konnte nicht laufen. Aber es gab eine Option für ihn in einer Klinik in Düsseldorf, eventuell operativ noch etwas zu machen. Also reiste der kleine Kerl aus. Ende Oktober aber dann die Botschaft, es wird nichts mehr operativ machbar sein, die einzige Chance sei eine Pflegestelle mit Physiotherapie oder Rolli etc. Der Aufruf kam und ich konnte nicht anders, Düsseldorf war für mich um die Ecke, ich musste ihn besuchen gehen.
Ich vergesse diesen Tag nie. Ich versprach meinem Mann, dass ich Miso nur anschaue. Als ich wieder fuhr, habe ich die ganze Strecke geheult. Dieser Hund hat einfach mein Herz berührt und den Blick seiner Augen hätte ich im Leben nicht vergessen. Trotz seiner Behinderung strahlte er so viel Freude, Liebe und Zuversicht aus. Für mich stand fest, dieser Hund muss eine Chance bekommen! Zuhause angekommen, fragte mein Mann: „Wo ist der Hund?“
Am nächsten Tag habe ich Miso abgeholt. Ich fand eine sehr gute Physiotherapeutin. Sie sagte mir, sie könne mir nichts versprechen, aber sie würde es versuchen. Wir starteten mit Wasserlaufband, Stromtherapie und natürlich Training für Zuhause. Reize setzen, Massage und mit Tragetasche auf zum Spaziergang. All dies zeigte seine Wirkung. Mehr und mehr lief Miso selbstständig auf allen vier Beinen und seine Muskulatur baute sich zunehmend auf, so dass er auch etwas längere Strecken selbstständig mitlaufen konnte.
Wenn ich jetzt zurückblicke, fast 5 Jahre später, war und ist es eine anstrengende Zeit. Miso ist nach wie vor ein Handicap-Hund, bewältigt das aber mit seiner immer noch fröhlichen und kämpferischen Art. Ich bzw. wir bedauern es auch nicht, ihn zu uns genommen zu haben.
Wie Aufwand und Kosten erwarten einen bei einem Handicap-Hund?
Am Anfang war mir nicht bewusst, was da auf mich zukommt. Erst einmal war da nur der Gedanke: „Du musst diesem Hund helfen.“ Nach kurzer Zeit merkte ich aber, was ich mir da angetan hatte. Der Alltag mit 3 „normalen“ Hunden lässt sich ja mehr oder weniger bewältigen, aber so ein Handicap-Hund stellte schon ein riesiges Problem dar. Inkontinenz, Stuhlgang unkontrolliert, schauen, dass er nicht die Treppe runterfällt etc. Ich kann von Glück sagen, dass meine Familie mich unterstützt hat.
Generell würde ich sagen: Wenn man sich mit dem Gedanken befasst, einen Handicap Hund aufzunehmen, sollte man erst einmal schauen, wie groß sein Handicap ist, was müsste angeschafft werden, habe ich die nötige Zeit und die Geduld. Vor allem: Steht jeder im Haushalt dahinter?!
Ich habe mir erst am Tag nach seiner Ankunft Gedanken über die Größe der Box, Windeln, Tragetasche für den Spaziergang, Massagebälle, Treppengitter etc. gemacht und natürlich gekauft. Von da an war ich gefühlt am Dauerputzen. Ich muss zugeben, ab und an habe ich es auch ein wenig bereut. Nur dann schaute ich ihm wieder in die Augen und dachte: Wer hätte Dir sonst geholfen und ich hab‘ dich lieb!
Welche Menschen sind für einen Handicap-Hund geeignet?
Wie ich schon erwähnte, sollte sich jeder im Klaren sein: Wie groß ist das Handicap dieses Hundes und vor allem, habe ich die nötige Zeit und Ausdauer, ihm auch langfristig die Hilfestellung bzw. Mittel zur Verfügung zu stellen? Es würde keinem etwas bringen, wenn sich nach kurzer Zeit herausstellt, man ist mit der ganzen Situation überfordert. Aus einer Laune heraus und aus falschem Mitleid kann so etwas ins Gegenteil umschlagen.
Wichtig ist meiner Meinung auch, dass man strukturiert ist und sich darüber bewusst ist, dass sich ein Alltag mit Handicap-Hund von dem mit einem normalen, gesunden Hund komplett unterscheiden kann.
Zum Abschluss möchte ich aber sagen: Ich bereue nicht, dass ich das Wagnis eingegangen bin und Miso zu uns in die Familie geholt habe. Er ist und bleibt mein Seelenhund. Miso ist trotz allem aber auch ein „normaler“ Hund. Der verfressen ist, gerne fremde Menschen anbellt, seine Artgenossen anpöbelt, für sein Leben gerne spazieren geht und mit seinem Frauchen kuschelt.
Ihr persönliches Testergebnis: 10, 20, 30 …. 100%?
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