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Pflegestelle - "Oft fließen Tränen"

Aktualisiert: 8. Okt. 2020

Eines der fachlich wie emotional herausforderndsten Ehrenämter im Tierschutz. Wer sich dafür entscheidet, hat es im doppelten Sinn mit einer großen Aufgabe zu tun. Ich habe Sibylle Höher dazu befragt. Sie ist Ansprechpartnerin für das Thema Pflegestelle im Verein "Hundeblicke e.V." und nimmt selbst regelmäßig Pflegehunde auf.


Was heißt „Pflegestelle“ und wie läuft der Prozess ab?


SH: Pflegestelle heißt, Verantwortung für ein Tier zu übernehmen, von dem man nicht weiß, was für Altlasten es mitbringt, ihn an das Leben in einer Familie zu gewöhnen und dann, wenn es passt, in seine neue Familie gehen zu lassen. Jede Aufgabe für sich ist nicht einfach. Man braucht Zeit, Geduld, gewisse Hundeerfahrung, Einfühlungsvermögen und das Bewusstsein, dass man immer dazu lernen muss. Auch loslassen ist schwierig, aber nur so kann man weiteren Tieren helfen.


Wie viele Pflegestellen hat Euer Verein „zur Verfügung“?


Unser Verein hat ca. 6-7 Pflegestellen für unterschiedliche Hunde zur Verfügung, da es ja auch in der Pflegestelle passen muss. Manche nehmen nur kleine Hunde, bei anderen muss der Hund absolut kinderlieb oder auch katzenverträglich sein, da muss man vorher schon eine gewisse Auswahl treffen.



Welche Aufgaben und Verpflichtungen haben Pflegestellen?


Pflegestellen müssen ihre Hunde wie ihren eigenen Hund aufnehmen, behandeln und erziehen. Sie sollten sich nicht überschätzen und man muss wie oben gesagt zusammen versuchen, den passenden Hund zu finden. Sie müssen sich darüber im Klaren sein, dass jeder Hund eine Vorgeschichte hat und man an den Problemen, die dadurch entstehen, arbeiten muss. Dazu gehören zum Beispiel Verlustängste, Stubenreinheit, sonstige Ängste. Die Hunde kennen meist nichts und müssen liebevoll, aber auch konsequent an alles heran geführt werden.

Muss ich bestimmte Voraussetzungen erfüllen oder brauche ich bestimmte Rahmenbedingungen und wenn ja, welche?

Voraussetzungen sind gewisse Grundkenntnisse von Hunden, je mehr, desto besser. Geduld, Verständnis, Konsequenz und das Bewusstsein, dass man nie genau sagen kann, was dieser Hund mit sich bringt. Eine Pflegestelle muss Probleme bewältigen sowie Hilfe annehmen können und nicht gleich die Flinte ins Korn werfen, wenn bzuholen.


Werden Pflegestellen-Interessen vorab geprüft, ob sie dafür geeignet sind?


Pflegestellen werden wie Endstellen geprüft, d.h. es kommt jemand vorbei, schaut sich die Gegebenheiten und die Menschen an, bespricht noch mal alles vor Ort mit der zukünftigen Pflegestelle und sucht dann gemeinsam mit der Pflegestelle den passenden Hund aus.


Werde ich als Pflegestelle vom Verein in irgendeiner Form geschult, unterstützt oder begleitet?


Pflegestellen werden von uns beraten und unterstützt in allen Belangen. Die Pflegehunde werden von uns in allen Foren eingestellt und wir kümmern uns um die Vermittlung, da muss sich die Pflegestelle nicht drum kümmern, kann sie natürlich mit einbringen durch Flyer erstellen und aufhängen aber die Vermittlung läuft nur über uns mit unseren Vorkontrollen.


Wann und wie kamst Du selbst dazu, Pflegestelle zu werden?


Ich kam durch die Adoption meines Hundes vor ca. 12 Jahren zu diesem Verein. Da ich schon immer den Wunsch hatte, nicht nur den Hunden zu helfen, die ich aufnehmen kann für immer wuchs sehr schnell in mir der Wunsch, Pflegestelle zu werden, da gerade die erwachsenen Hunde schlechte Chancen haben direkt aus dem Ausland vermittelt zu werden. Da wir immer sehr verträglich Hunde hatten und genug Platz und auch Zeit wurde der Wunsch dann zusammen mit meinem Mann umgesetzt und wir haben es nie bereut. Es gibt so viele Hunde, die schon jahrelang im Tierheim leben mussten. Kaum waren sie hier, haben wir meist sehr schnell tolle Familien gefunden, auch wenn der ein oder andere Hund dann hier geblieben ist und wir "Pflegestellenversager" waren, aber das passiert fast jeder Pflegestelle mal.


Wie viele Hunde hast Du bereits aufgenommen? Wie oft kommt etwa ein neuer Pflegehund zu Dir oder einer der anderen Pflegestellen?


Als Pflegestelle haben wir in der ganzen Zeit ca. 50-60 Hunde aufgenommen, so genau weiß ich das nicht. Jeder ist anders, aber jeder nimmt ein Stück von unserem Herzen mit. Es ist immer wieder schön zu sehen, wie gut es ihnen geht, auch wenn oft Tränen fließen. Wir können immer nur in der Zeit zwischen Spätherbst und Frühling Hunde aufnehmen, da wir in der anderen Zeit zu viel unterwegs sind. Bei den anderen Pflegestellen ist es sehr unterschiedlich, manche nur 2x im Jahr, andere jeden Monat oder auch mal 2 oder 3 Hunde. Das kann jeder so machen, wie es in seine persönlichen Verhältnisse passt. Ohne diese Pflegestellen würden viele Hunde immer noch in Spanien im Tierheim sitzen. Gute Pflegestellen sind ein Segen für jeden Verein.



Mit welchen Kosten muss ich etwa rechnen, wenn ich einen Hund auf Zeit beherberge?


Als Pflegestelle stelle ich Unterkunft und Verpflegung mit allem. Tierarztkosten werden auf Rücksprache mit dem Verein vom Verein übernommen. Versicherung läuft über den Verein, Steuern fallen im Grunde nicht an, da die meisten Hunde relativ schnell vermittelt werden und es da bei der Steuer eine Karenzzeit für Pflegestellen gibt.


Was rätst Du Familien oder Personen, die Pflegestelle werden wollen bzw. worauf müssen sich Pflegestellen-Interessenten einstellen und wozu bereit sein?


Pflegestellen müssen sich darüber im klaren sein, daß ein Pflegehund eine grosse Aufgabe ist vor allem, wenn es ältere Tiere sind. Diese haben oft Verlustängste, haben vielleicht schlimmes mitgemacht und bringen Ängste mit und kennen nichts oder nicht viel. Viele kennen keine Leine und spazieren gehen auch nicht. An all das muss man sie heran führen. Man muss sich auf Schwierigkeiten einstellen. Wenn es dann einfacher ist ist es um so besser. Viele sind auch unproblematisch, aber wenn man sich auf Schwierigkeiten einstellt, gibt man nicht so schnell auf. Deshalb besprechen wir das mit den Pflegestellen immer genau, was sie leisten können und wollen. Es ist eine Gratwanderung zwischen Strenge und das Tier auch mal lassen, wie in jeder Erziehung.


Wie schwer fällt es Dir, einen Hund wieder abzugeben?


Das ist immer schwer, weil er auch in kurzer Zeit ein Teil von unserer Familie geworden ist und manchmal sehr schwer, wenn es ein ängstlicher Hund ist, weil er sich noch mal umgewöhnen muss, was für diese besonders schwierig ist. Aber ich weiß, dass es klappt und es nur etwas dauert. Wenn ich dann nach 1-2 Wochen die Bilder sehe, bin ich wieder glücklich und weiß, warum ich das alles mache.


Kommt es vor, dass ein Hund nicht weitervermittelt wird und dann bei Dir bzw. bei der Pflegestelle bleibt?


Ja, wie oben schon erwähnt. Zum einen gibt es Hunde, die man nicht mit gutem Gewissen weiter vermitteln kann und wenn ein Platz bei einem frei geworden ist und es kommt ein toller Pflegehund, dann ist die Versuchung sehr groß. Die erste Hündin, die geblieben ist, war so ängstlich, dass wir sie deswegen behalten haben. Der zweite Hund war zweimal vermittelt und er sollte kein Wanderpokal werden, deshalb haben wir ihn behalten, weil er recht schwierig war und ist. Der 3. Hund, da war ein Platz frei und er ist ein so toller Hund und passt perfekt zu uns, so dass wir uns entschieden haben, ihn zu behalten.


Was passiert, wenn der neue Hund sich nicht mit ggfs. bereits vorhandenen Tieren versteht? Kann ich dem vorbeugen?


Die Auslandshunde sind zu 99% alle sehr verträglich. Natürlich muss man vorher schauen, dass es wahrscheinlich passt, da stehen wir beratend zur Seite. Es kommt vor allem auf den oder die vorhandenen Hunde an, weil ein Pflegehund sich oft unterordnet. Man muss seine vorhandenen Hunde gut einschätzen und einen entsprechenden Hund dazuholen. Deswegen brauchen unsere Pflegestellen eine gewisse Hundeerfahrung. Sollte es gar nicht passen, kann man versuchen den Hund in eine andere Pflegestelle zu setzen, was natürlich für das Tier wieder eine Belastung ist. Das sollte die Ausnahme bleiben. Es braucht daher Durchhaltevermögen, um an den Problemen zu arbeiten. Das Wohl des Hundes steht immer an erster Stelle. Pflegestelle zu sein ist kein Selbstzweck, um sich selber zu bestätigen.


Was macht Dir als Pflegestelle besonders viel Freude?


Tieren zu helfen, die es bis dato in ihrem Leben nicht gut hatten, und sie auf dem Weg in eine glückliche Zukunft ein kurzes Stück begleiten zu können.







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