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Handicap-Hund: Wo gibt es Hilfe?

Hunde mit Behinderung zu adoptieren ist eine besondere Herausforderung oder vielleicht sogar eine überaus erfüllende Aufgabe? Der Verein „Handicap-Hunde und Freunde e.V.“ bietet Beratung und Vermittlungshilfe in Deutschland an. Bei der Vermittlung meines ersten Handicap-Hundes habe ich die 1. Vorsitzende Tanja Kawall kennengelernt und bin seitdem Fan dieser „speziellen“ Hunden. Vielleicht kann ich den einen oder anderen Leser damit anstecken … Mehr zum Verein unter www.handicap-hunde.com

Was heißt es, einen Handicap-Hund zu adoptieren?

Für mich heißt das, einem Hund, der nicht perfekt ist, ein Zuhause zu geben. Und es heißt für mich auch, dazu zu stehen, wenn andere Menschen eine andere Meinung dazu haben. Nicht jeder bringt dafür Verständnis auf. Muss er auch nicht, es ist meine Entscheidung. Und bisher bin ich von meinen Handicap-Hunden noch nie enttäuscht worden. Aber es gibt immer wieder Menschen, die das nicht verstehen können und es gibt auch, entschuldige, wenn ich das hier so

sage, auch immer wieder Tierärzte, die je nach Handicap den Hund einschläfern würden. Das ist ein ganz doofes Gefühl, wenn du diese Empfehlung bekommst. Meine eigene Hündin hatte diese Empfehlung vor über sieben Jahren. Sie lebt immer noch total lebensfroh in unserem Rudel. Aber einschläfern kann man eben nur einmal. Natürlich gibt es Grenzen, darüber sind wir uns im Klaren.


Welche Erfahrungen hast Du mit Handicap-Hunden gemacht?

Gute! Diese Hunde leben wie andere Hunde auch im Hier und Jetzt und sagen sich nicht den ganzen Tag, wie schlecht es ihnen geht. Allerdings muss immer gesehen werden, welches Handicap der Hund hat und ob er noch Lebensfreude hat. Ich kenne Menschen, die haben fast ein Jahr lang nicht gemerkt, dass ihr Hund taub ist. Er hat sich super an ihnen orientiert. Erst als ein Topf scheppernd zu Boden gefallen ist und der Hund ganz ruhig weitergeschlafen hat, ist es aufgefallen. Aber die Anzahl der Handicaps ist auch sehr vielfältig und nicht immer gleich auf den ersten Blick zu erkennen.

Was war der Auslöser für den Verein?

Ich habe 2015 meinen ersten Handicap-Hund adoptiert. Bevor ich mich dazu entschloss, Leni bei uns aufzunehmen, hatte ich auf einmal ganz viele Fragen. Schließlich war bzw. ist ihr Handicap etwas, auf das ich mich mit aller Konsequenz einlassen musste. Sie konnte damals aufgrund einer Wirbelfraktur so gut wie gar nicht laufen und ist dazu inkontinent. Da ging mir vieles durch den Kopf: Wie ist das Leben mit solch einem Hund? Kann ich ihm gerecht werden? Ist so ein Leben für den Hund lebenswert? Usw. … Daraufhin habe ich im Internet recherchiert, um jemanden zu finden, der mir meine Fragen beantworten kann. Damals war die Suche sehr schwierig bis fast unmöglich. Jedoch habe ich jemanden gefunden und dann auch noch ganz in meiner Nähe. Sie selbst hatte sog. Rolli-Hunde mit ähnlichen Problemen wie Leni. Wir haben uns dann sehr spontan bei ihr zu Hause getroffen. Nun konnte ich ihre Hunde kennenlernen und meine ganzen Fragen loswerden. Danach war mir sehr schnell klar, dass Leni, wenn ich die Zusage bekomme, bei uns einziehen darf.

Etwa zwei Wochen nach dem Einzug von Leni habe ich mich auf die Suche nach einer Physiopraxis für Hunde gemacht und eine sehr gute Therapeutin gefunden: Anne. (Sie ist übrigens die 2. Vorsitzende in unserem Verein). Leni war also regelmäßig zur Physiotherapie und es wurden auch Spaziergänge für versehrte Hunde angeboten. So haben Anne und ich uns immer besser kennengelernt. Zwischendurch hat mich immer wieder ein guter Freund angesprochen, ob ich nicht einen Verein für solche Hunde gründen möchte. Wollte ich nicht. Irgendwann habe ich Anne davon erzählt und die sagte nur: „Warum nicht? Lass uns das machen.“ Tja, was soll ich sagen. Gesagt, getan und nun gibt es unseren Verein seit 2018.


Was sind Eure Aufgaben?

In erster Linie wollten wir Menschen beratend zur Seite stehen, die schon einen Handicap-Hund haben oder, so wie ich damals, gerne Informationen hätten. Mittlerweile haben wir ein gutes Netzwerk, welche Tierärzte zum Beispiel bei bestimmten Problemen zu empfehlen bzw. Spezialisten auf ihrem Gebiet sind, welche Physiotherapeuten in der Nähe sind etc. Des Weiteren leisten wir Vermittlungshilfe auf unserer Homepage. Wir haben auch schon diverse Rollis auf

Lebenszeit verliehen und finanziell die unterschiedlichsten Behandlungen / Untersuchungen unterstützt

Wer fragt bei Euch nach Hilfe?

Hundebesitzer, die schon einen Handicap-Hund haben, Menschen, die sich überlegen einem Handicap-Hund ein Zuhause zu geben und dann noch Hundebesitzer, - das finde ich immer besonders traurig und schwierig – die durch einen Unfall, Krankheit usw. des Hundes auf einmal dastehen und einen Hund mit Handicap haben. Für diese Menschen ist es besonders schwer, da sie sich ja nicht bewusst dafür entschieden haben, sondern mit diesem Schicksal umgehen müssen.

Die Themen, zu denen die Menschen Fragen haben, drehen sich um alle möglichen Handicaps, Therapiemöglichkeiten, Hilfsmittel, spezialisierte Tierärzte bzw. Kliniken und besonders zu medizinischen Fragen. Oft führe ich das erste Telefongespräch, da ich unser Vereinshandy habe und bitte dann Anne um Hilfe bzw. Rückruf bei den Menschen. Wenn wir eine E-Mail mit Telefonnummer bekommen und ich weiß, dass Anne auf jeden Fall der bessere Ansprechpartner ist, nimmt sie direkt den Kontakt auf. Durch ihre Arbeit als Therapeutin weiß sie einfach besser Bescheid. Schließlich bin ich erst einmal „nur“ Hundebesitzer. Wenn es zu spezielle Fragen sind, können wir an Tierärzte verweisen oder versuchen selbst an die entsprechenden Informationen zu gelangen.


Mit welchen Handicaps habt Ihr am meisten zu tun?

Das kann ich gar nicht genau beantworten. Gefühlt sind es überwiegend Hunde mit Lähmungen oder Problemen des Bewegungsapparates. Aber auch z.B. Inkontinenz ist immer wieder ein Thema. Hmm, da müsste ich tatsächlich mal genau in unsere Unterlagen sehen :). Aber die Frage ist interessant. Wir haben das schon oft im Verein diskutiert. Wann hat ein Hund ein Handicap? Nur wenn es offensichtlich ist? Taub, blind, amputierte Gliedmaßen, Rolli-Hund, etc. Wie sieht es zum Beispiel mit Vermehrerhunden aus? Oder mit Angsthunden? Es gibt noch weitere Beispiele. Haben die ein Handicap oder einfach nur Pech gehabt? Wie auch immer, wir finden sie auf jeden Fall unterstützenswert, wie und in welcher Form das auch immer das aussehen mag.

Wie gehe ich mit einem behinderten Hund um?

Erstmal wie mit jedem anderen Hund auch. Unangemessenes Mitleid der Menschen hilft ihnen nicht unbedingt weiter. Nur weil ein Hund einen Rolli für den Spaziergang hat, heißt das nicht, dass er nicht auch hören sollte. Dann muss natürlich auf das Handicap eingegangen werden. Ein dreibeiniger Hund (und denen sieht man nicht immer gleich an, dass sie nur drei Beine haben) hat natürlich einen anderen Schwerpunkt als ein blinder oder tauber Hund. Ein Angsthund oder traumatisierte Hunde wiederum sind noch mal ein anderes Thema. Die brauchen besondere Fürsorge und sehr verantwortungsvolle Menschen. Grundsätzlich ist das Schöne an unseren Hunden, dass sie selbst meistens kein Problem mit ihrem Handicap haben. Das ist für sie so und damit leben sie dann. Die viel größeren Probleme haben die Menschen.


Muss ich eine besondere Begabung oder Fähigkeiten haben, um einen Handicap-Hund bei mit aufzunehmen?

Eigentlich nicht. Jedoch sollte man keinen Handicap-Hund aus reinem Mitleid und spontan als Endstelle aufnehmen. Je nach Beeinträchtigung des Hundes kann man auch schnell mit der Situation überfordert sein.


Wie gehe ich vor, wenn ich einem Handicap-Hund ein Zuhause geben will?

Sich erst einmal fragen, welches Handicap „passt“. Wenn ich gerne alle drei Wochen die Möbel meiner Wohnung umstelle, dann ist ein blinder Hund denkbar ungeeignet. Bei hochwertigem Teppich würde ich auch nicht unbedingt zu einem inkontinenten Hund raten. Das sollten nur mal Beispiele sein. Ich finde es immer gut, sich im Vorfeld mit Menschen auszutauschen oder zu treffen, die genau so einen Hund mit dem entsprechenden Handicap haben. Dabei kann man relativ gut in Erfahrungen bringen, was da auf einen zukommt. Man sollte sich auch Gedanken darüber machen, ob vielleicht noch Kosten durch z.B. regelmäßige Physiotherapie oder Medikamente auf einen warten. Vielleicht stehen auch noch teure Untersuchungen an, um eine genaue Diagnose des Handicaps zu bekommen. Dies ist nicht immer ganz unerheblich. Wie auch immer, je nach Handicap sind die Bedürfnisse und ggfs. therapeutische oder tierärztliche Kosten, Medikamente, Hilfsmittel etc. immer zu bedenken.

Was spricht dafür, einem Handicap-Hund eine Chance zu geben?

Es sind wundervolle, aber nicht perfekte Hunde. Sie stellen einen bestimmt auch vor Aufgaben, die ein normaler Hundebesitzer nicht hat. Aber die Handicap-Hunde können nichts für ihr Schicksal und sie sind genauso liebenswert wie jeder andere Hund auch. Nur dass ihnen nicht jeder ein Zuhause geben möchte. Aber die Menschen, die das tun, die sind ganz besonders.

Wo finde ich Informationen oder Hilfe bzw. fachkundige Begleitung?

Informationen und Hilfe gibt es natürlich bei uns und bei jedem Verein oder jeder Privatperson, die sich diesem Thema angenommen hat. Namentlich kann ich da gerade leider nicht helfen. Wir sind durchaus ein Randthema und noch nicht so weit verbreitet. Vereine mit diesem Thema gibt es offensichtlich noch nicht so viele. Aber es gibt sie! Sicherlich kann man auch seinen Tierarzt um seine Meinung fragen. Aber aus eigener Erfahrung würde ich sagen, dass da schon ein sehr gutes Vertrauensverhältnis die Grundlage sein sollte.


Zum Schluss ist mir noch eins wichtig: Ich habe diese Interviewfragen allein und aus meiner Sicht beantwortet. Vielleicht habe ich das eine oder andere nicht bedacht. Mag sein. Und jeder in unserem Verein macht mit seinen Hunden durchaus unterschiedliche Erfahrungen. Genau deshalb sind persönliche Gespräche so wichtig!


Fotos: Tanja Kawall / Handicap-Hunde und Freunde e.V., Sina Sparharakis





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