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Hunde aus dem Canile sollen gesehen werden

Elvira Eckert ist Gründerin und Vorsitzende der Tierschutzvereine "Jasper and Friends e.V." und "Goldherzen e.V.", die sich für Hunde in Italien einsetzen. Im Interview berichtet sie über die mühsame Arbeit der Tierschutzkollegen vor Ort, Kooperationsbestrebungen und worauf Adoptanten achten sollten.


Wann und wie bist Du persönlich auf den (Tierschutz-)Hund gekommen?


Meine erste Hündin (Betty) zog vor ca. 35 Jahren bei uns ein. Tagsüber von meinen Eltern betreut und versorgt, nach Feierabend von mir und meinem Mann.

Betty habe ich einem Bauern in einem Nachbarort von der Kette abgekauft. Zustande kam es durch die Vermittlung vom damals 1. Vorsitzenden des Tierschutzvereins Pfungstadt, den ich durch meine Tierschutzarbeit im Verein kennen und schätzen lernte.


Danach war ich verzaubert von den Tierschutzhunden und es zogen immer wieder – bis heute – Tierschutzhunde bei uns ein.


Wie entstand die Idee, Hunden in Italien helfen zu wollen?


Nachdem ich 2013 meine Berufstätigkeit aufgegeben hatte, suchte ich eine für mich sinnvolle Beschäftigung. Ich fand im Internet einen Verein, der Hunde aus Italien vermittelte und dem ich mich anschloss. Es hätte auch ein anderes Land sein können. Dass es die italienischen Hunde wurden, ist also reiner Zufall.


Bis zur Trennung von diesem Verein half ich beim Einstellen der Hunde in die Tierschutz-Portale, bei der Patenbetreuung und kam bald auch zur Vermittlung der Hunde. Bei einem Transport der Hunde war ich dabei und habe dadurch einen kleinen Einblick in die Situation vor Ort bekommen.


Für mich war klar, dass ich auch weiterhin die italienischen Hunde unterstützen möchte, gerade nachdem ich das perfide System der jahrelangen Gefangenschaft der Hunde in Italien kennengelernt hatte. So kam es zur Gründung von Jasper and friends e.V. im Jahr 2018.


Wie sieht Eure Hilfe genau aus?


Wir möchten Hunden aus einem Canile die Chance geben, gesehen zu werden und sie in liebevolle Hände vermitteln. Dazu stellen wir die Hunde in den Tierschutzportalen wie Tiervermittlung.de und shelta/tasso sowie auf unserer Homepage und facebook vor. Wenn wir nach einigen Gesprächen und der Vorkontrolle der Meinung sind, dass alles passt, wird der jeweilige Hund auf einen Transport gebucht und an die Interessenten vermittelt. Wir bleiben mit den Familien in Verbindung und es werden auch Nachkontrollen durchgeführt.


Ebenso wollen wir den verletzten Hunden im Canile helfen. Das ist nur möglich, wenn wir sie da rausholen. Im Canile ist die tierärztliche Betreuung zum Beispiel nach einer OP nicht gewährleistet. Um das zu finanzieren, nutzen wir zum Teil die Schutzgebühren für die gesunden, vermittelten Hunde.


Ein weiterer Baustein dieser Hilfe für die Ärmsten der Armen sind die Paten und Spender, ohne die wir diese Aktionen gar nicht durchführen könnten. Nur mit dieser Unterstützung ist es uns möglich, immer wieder einen kranken und/oder alten Hund aus diesen schlimmen Verhältnissen zu befreien. Von dieser finanziellen Unterstützung ist es jeweils abhängig, wie vielen kranken Hunden wir helfen können.


Weiterhin betreiben wir Aufklärung darüber, wie die Hunde in den italienischen Canili durch das dort herrschende System leiden müssen. Das ist in Deutschland noch weitgehend unbekannt.


Wie erlebt Ihr die Hunde- und Tierschutzsituation in Italien?

Wir können nur über die Tierschutzsituation unserer Tierschützer in der Region Latina, den Abruzzen und Calabrien sprechen, aber ich denke die Situation wird überall relativ gleich sein. Als wir 2019 für eine Woche in Latina vor Ort waren, konnten wir einen kleinen Einblick gewinnen.


Es ist für unsere italienischen Tierschutzkolleginnen jeden Tag aufs Neue ein Anrennen gegen Windmühlen. Einerseits bei der Aufklärungsarbeit der Menschen vor Ort und andererseits bei den zuständigen Behörden und bei den Canile-Betreibern. Sie brauchen so viel Energie für die Beschaffung der benötigten Papiere zur Vermittlung der Hunde, in den Canili muss ständig nachgefragt werden, ob die Hunde für die Ausreise geimpft wurden usw.


Unsere Tierschützer vor Ort stellen uns gefundene oder von der Familie verlassene und Hunde aus dem Canile vor, betreuen ein Rudel von Straßenhunden, versorgen ausgesetzte Hunde, bringen sie zum Tierarzt, suchen ständig nach Pflegestellen und versuchen die geretteten Hunde in gute Hände zu vermitteln, im In- und Ausland. Da ist es schon nervenaufreibend, so viel Zeit mit Papieren und Behörden bzw. Canile-Betreibern zu verbringen, die man besser für die Tiere und die ganz wichtige Aufklärungsarbeit (z.B. zur Kastration) nutzen könnte. Sofern es die Finanzen zulassen, werden vor Ort Kastrationskosten übernommen. Um die Straßentiere und die Hunde auf privaten Pensionsplätzen zu versorgen, sind die Kollegen auf Spenden für die Tierarztkosten und auch auf Futterspenden angewiesen.


Wie unterstützt und begleitet Ihr Interessenten?


Wenn Interessenten bei uns nach einem Hund anfragen, bitten wir sie, unseren Selbstauskunftsbogen auszufüllen. Damit lernen wir die Interessenten etwas besser kennen und können uns eher ein Bild davon machen, ob der gewählte Hund zu der Familie passen könnte. Der Selbstauskunftsbogen und dazu auftretende Fragen von Interessenten oder unsererseits werden anschließend mit den Interessenten besprochen und evtl. auch ein anderer Hund vorgeschlagen, da der ausgesuchte nicht zu diesen Interessenten passt. Auch wenn der gewünschte Hund schon vergeben ist, schlagen wir – falls gewünscht – andere passende Hunde vor. Dazu führen wir ausführliche Gespräche mit den Interessenten.

Es kommt auch vor, dass wir den Interessenten ganz von einem Hund abraten, da es die aktuelle Situation aus unserer Sicht nicht zulässt.


Gibt es ein Thema, auf das Du die Adoptanten besonders hinweisen möchtest?


Ja, das Thema Impfen ist mir sehr wichtig. Viele unserer Adoptanten sind da unsicher. Wir empfehlen ihnen, sich bei Fragen zum Impfschutz zuerst mit uns in Verbindung zu setzen, da die erfolgten Impfungen meistens auf Beiblättern oder einem Impfpass eingetragen sind. Im EU-Pass steht meistens nur die Tollwutimpfung. Wenn der Tierarzt dann nur den EU-Pass sieht, geht er davon aus, dass der Hund nicht vollständig geimpft wurde.


Auch müssen nicht mehr zwangsläufig alle Impfungen jährlich erfolgen. Mittlerweile sind je nach Impfung bzw. Impfstoff auch 2- oder 3-Jahresabstände möglich. Hierzu gibt es eine Impfempfehlung für Hunde von der „Ständigen Impfkommission Veterinärmedizin (StiKo Vet)“. Wir haben auf unserer „Goldherzen-Website“ extra Impfinformationen bereitgestellt.


Mit Deinem noch recht neuen Verein „Goldherzen“ möchtest Du mit anderen Organisationen kooperieren und auf unterschiedliche Weise helfen. Was genau schwebt Dir vor?


Goldherzen e.V. wurde 2019 gegründet und unterstützt momentan Tierschützer im In- und Ausland finanziell und durch Vermittlungshilfe bei Hunden. Das sind z.B. Katzenfutter-Spenden für eine Katzenkolonie auf Sardinien, finanzielle Hilfe für kranke Hunde in Italien. Regional helfen wir mit Futterspenden für verschiedene Tierheime, Spenden für Tiertafeln und das soziale Netzwerk Bensheim.


Später sollen Vermittlungen aus Italien dazukommen. Wir haben noch keinen festen Partnerverein in z.B. Italien oder anderswo, würden aber gerne Hunde aus Europa und Deutschland, die ein Zuhause suchen, in Vermittlungshilfe auf der Website und auf facebook vorstellen - gerne auch für andere Tierschutzorganisationen oder Privatpersonen. Die Resonanz ist noch gering, allerdings ist das zum Teil dem noch geringen Bekanntheitsgrad von Goldherzen e.V. geschuldet und kann noch besser werden. Auch möchten wir uns, soweit es finanziell möglich ist, an Kastrationsprojekten beteiligen. Aber das hängt entscheidend von Spenden ab.


Durch Kooperationen können auch kleine Tierschutzvereine gute und erfolgreiche Tierschutzarbeit leisten.


Du nimmst selbst immer wieder Pflegehunde auf. Woran liegt es, dass das Zusammenleben mit den anderen trotz der sehr unterschiedlichen Charaktere funktioniert?


Da gab es noch nie Probleme. Die Hunde, die ich bisher aufgenommen habe – alle aus Italien – waren durch das Canile-Leben darauf angewiesen, sich mit anderen Hunden zu verstehen und taten das auch mit meinen Hunden. Meine Hunde wiederum sind sehr verträglich mit anderen Hunden und nach einem Kennenlernen im Garten hat das bisher sehr gut funktioniert.


Wichtig ist meiner Meinung nach, dass die eigenen Hunde nie das Gefühl bekommen dürfen, dass sie zu kurz kommen durch die Pflegehunde. Sie sollten genau so viel Aufmerksamkeit bekommen wie sonst auch.



Fotos: Jasper and Friends e.V.

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